„Little Prypjat“ in Deutschland – Die Geisterstadt am sowjetischen Flugplatz

Die sowjetischen Streitkräfte nutzten etwa 50 Flugplätze in der DDR. Für die Soldaten gab es eigene Siedlungen, die heute teilweise als Geisterstadt im Wald liegen: Willkommen in „Little Prypjat“ in Deutschland.

Wie bei vielen anderen Militärstandorten übernahmen die sowjetischen Streitkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg ein zuvor von den Deutschen errichtetes Militärobjekt.

Mit dem Koreakrieg Anfang der 1950er Jahren wurden in der jungen DDR Flugplätze für Frontbomber fertiggestellt – denn durch Deutschland verlief die Frontlinie des Kalten Krieges. Der Flugplatz wurde immer weiter ausgebaut, sodass er bald über zwei betonierte Start- und Landebahnen von jeweils 2.500 Meter und eine Behelfsstartbahn von zwei Kilometern Länge verfügte.

Rund um den Flugplatz entstanden 60 befestigte Stellplätze, in denen die Flugzeuge untergestellt werden konnten. Diese Flugzeugstellungen waren massive mit Erde bedeckte Bauwerke, die bei einem Angriff die Flugzeuge schützen sollten. Daher wurden sie auch dezentral um die Start- und Landebahn angeordnet. Auf dem sowjetischen Flugplatz gab es im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Flugzeugtypen, meist waren es Front- und Jagdbomber.

Infolge von weiteren Ausbaustufen kamen bis zum Abzug der russischen Streitkräfte Anfang der 1990er Jahre noch weitere Kommandopunkte, Wartungshallen oder Munitionslager hinzu.

Im Süden des riesigen Areals wurde daher noch ein Sonderwaffenlager errichtet, in dem nukleare Freifallbomben gelagert wurden. Im Falle eines Atomkrieges mit dem Westen – im Kalten Krieg ein permanent heraufbeschwörtes Szenario – sollten die Bomber mit diesen Bomben bestückt werden.

Im Zentrum des Sperrgebietes befand sich die Garnison, für die Tausenden hier stationierten Soldaten. Da die Offiziersdichte unter Fliegern durchschnittlich höher war, gab es hier auch viele Unterkünfte für sowjetische Familien. Insbesondere die Wohnungen im Plattenbauviertel dürften damals einen modernen Wohnkomfort versprochen haben. Errichtet wurden solche Wohngebiete vom VEB Spezialbau, denn für die Stationierungskosten war die DDR zuständig. Insofern sind die Wohnblöcke die klassischen WB70-Typen, die in der DDR von der Ostsee bis zum Erzgebirge massenhaft vorkamen.

Durch eine gigantische Halle in einiger Entfernung wirkt dieses Geisterstadt wie ein „Little Prypjat“ – nur eben in Deutschland. Dieser Lost Place hat zwar nicht die Ausmaße wie die Wohnstadt des verhängnisvollen Kernkraftwerkes Tschernobyl, doch die Parallelen sind verblüffend. In einigen Plattenbauwohnungen sprießen bereits die Birken, sodass sich die Natur schrittweise diese verlassene Stadt zurückholt.

Vereinzelt lassen sich in „Little Prypjat“ noch sowjetische Relikte finden, wie eine Soldatenplastik aus Beton oder ein aus gelben und braunen Kachelbruchstücken zusammengesetztes Lenin-Portrait, das wahrscheinlich den Vorplatz eines Speisesaales schmückte. Für die Kinder der Offiziersfamilien gab es zudem eine Schule, denn in den Schulen der Garnisonen wurde nach sowjetischen Lehrplan unterrichtet.

Im Sommer 1992 wurde dieser sowjetische Militärstandort aufgegeben, sodass sich seitdem das deutsche „Little Prypjat“ entwickeln konnt.

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