In Ketschendorf bei Fürstenwalde/Spree befand sich ab Mai 1945 das sowjetische Speziallager Nr.5, in dem neben Tausenden Deutschen eine besondere Häftlingsgruppe interniert wurde.
Es ist ruhig in der ehemaligen DEKA-Siedlung der Deutschen Kabelwerke in Fürstenwalde. Lediglich von der nahen Autobahn hallt das monotone Geräusch der Blechlawinen herüber. Eine rüstige aber weit über 80-jährige Frau steht in der Tür zu ihrem Mehrfamilienhaus und schaut einem vorbeifahrenden Auto hinterher. Nichts deutet darauf hin, dass dieses kleine Wohngebiet Ende der 1940er Jahre ein Internierungslager des sowjetischen Geheimdienstes NKWD war.
Die finale Schlacht um Berlin im Frühjahr 1945 war im vollem Gange, als diese Siedlung im damaligen Ketschendorf kurzerhand mit Stacheldraht umzäunt wurde. Später kamen Wachtürme, ein drei Meter hoher Holzzaun sowie ein Lazarett und eine Küchenbaracke hinzu. Ab Mai 1945 kamen Tausende Inhaftierte in das Lager. Die Wohnungen in den Ein- und Mehrfamilienhäusern waren heillos überfüllt.
Das Speziallager Nr. 5 in Ketschendorf wurde eines von insgesamt zehn Internierungslagern dieser Art in der sowjetischen Besatzungszone. Wie in den westlichen Besatzungszonen entstanden auch hier Internierungslager zum Zwecke der Entnazifizierung.
Neben zahlreichen tatsächlichen und mutmaßlichen deutschen Nationalsozialisten gab es mit Sowjetbürgern eine weitere Gefangenengruppe. Ketschendorf wurde zum Sammel- und Durchgangslager für Angehörige der so genannten Wlassow-Armee („Russische Befreiungsarmee“). Die „Wlassow-Armee“ war eine zum Kriegsende aufgestellte und der deutschen Wehrmacht zugeordnete Armee aus zumeist russischen Freiwilligen, die auf Seiten der Nationalsozialisten gegen die sowjetische Rote Armee kämpften. Ihre Baracke befand sich in einem massivem Gebäude an der heutigen Zufahrt zu der Siedlung.
Vom nahen Gleisanschluss gingen schließlich die Transporte in die Sowjetunion, wo auf die Mehrzahl der Wlassow-Soldaten aufgrund von Kollaboration harte Strafen warteten. Schon Ende 1945 wurden alle über 1.300 sowjetische Staatsangehörige - darunter auch russische Emigranten und ehemalige „Ostarbeiter“ - zurück in die UdSSR gebracht.
Die in den späten 1930er Jahren fertiggestellte Autobahn bildete schon damals das südliche Ende des Lagers. In dem an der Autobahn angrenzenden Wäldchen befinden sich Massengräber für die aufgrund der Haftbedingungen ums Leben gekommenen Häftlinge. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde hier eine kleine Gedenkstätte errichtet.
Im Frühjahr 1947 ist das Speziallager Nr. 5 nach rund zwei Jahren aufgelöst worden und die verbliebenen Inhaftierten wurden in andere Lager wie das in Sachsenhausen verteilt.
In die geräumte Siedlung kamen schon wenige Monate später die ersten Neubewohner, wie die über 80-jährige Frau, die mit ihrem Mann als junge Frau Ende 1947 eine Wohnung in der DEKA-Siedlung zugewiesen bekam und bis heute hier lebt. Wie sie waren viele der neuen Bewohner Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Über das Lager, das es in ihrem Wohngebiet gab, wurde nicht gesprochen. Man wusste, dass man über bestimmte Themen nicht spricht.
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Infobox
Ehemaliges Speziallager Nr. 5 Ketschendorf
Straße der Einheit, 15517 Fürstenwalde/Spree
Anreise: Bushaltestelle "Fürstenwalde, Siedlung"
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